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Channel: Rosalies Midlife Crisis
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Gedanken zum Tod von C. Schloter

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"Die Meldung vom Tod von Carsten Schloter hat zahlreiche Reaktionen aus Politik und Wirtschaft ausgelöst. Bundesrätin Doris Leuthard würdigte ihn als eine prägende Figur...."tönte es gestern Abend aus dem Autoradio, als ich  nach dem Büro in der Dämmerung über die Autobahn heimwärts fuhr. Ich horchte auf.

"Was??! Swisscom-Chef Carsten Schloter ist tot?!" durchfuhr es  mich. "Der war doch noch jung? Sicher ein Bergunfall...". Schon gingen mir Gedanken über solche Männer durch den Kopf. Männer, die ihr Leben der Arbeit und dem Extremsport unterordnen. Diese Erfolgsmenschen, die höchste Kaderstellen in der Wirtschaft bekleiden, nebenbei noch Familie haben und trotzdem noch die Zeit finden, jährlich Tausende Kilometer auf dem Rennrad abzustrampeln und/oder frühmorgens zu joggen und die knappe "freie" Zeit am Wochenende damit verbringen, auf irgendwelche Berggipfel raufzurennen oder Marathons zu laufen. Selbstdisziplin bis zum geht nicht mehr. Oder eben bis zum bitteren Ende...

So scheint es im Fall von Carsten Schloter gewesen zu sein. Er ist nicht mehr zur Ruhe gekommen und hat diesem Wahnsinn ein Ende gesetzt. Kein Unfall! Er hat sich selbst das Leben genommen. Vermutlich eine Verzweiflungstat, eine Kurzschlusshandlung.

Carsten Schloter. 1963 - 2013

Es berührt mich. Ich habe ihn persönlich nicht gekannt, aber was man so gelesen hat, war er einer der Guten. Er hat bei der Swisscom die Kultur des Dutzens bis auf die höchste Führungesebene eingeführt. Er hatte keinen Dünkel. Und das als Deutscher! ;-) Die legen ja viel mehr Wert auf Titel und sind viel Obrigkeitsgläubiger als wir Schweizer. Er war wohl einer der beliebtesten und meist geachteten Deutschen im Land. Sein Suizid erschüttert die Menschen.

Es sind selten die abgebrühten Manager, die am Leben und an den Anforderungen, die sie an sich selber stellen, zerbrechen. Sie können mit dem Scheitern schlecht umgehen. Wollen alles perfekt machen,alles im Griff haben. Wenn sie zu emotional, zu empathisch sind, zu sensibel sind,  wird es schwierig. Entweder werden sie krank, sterben an Herzversagen oder sie bringen sich um.

Ich frage mich, welche Rolle das Scheitern seiner Ehe gespielt hat. Seine Frau und die drei Kinder im Alter von acht bis vierzehn Jahren leben seit 2009 getrennt von ihm. Er hat in einem Interview einmal gesagt, dass er seine Kinder nur alle zwei Wochen sehen kann und dass er deswege Schuldgefühle habe. Angeblich habe er die Trennung nie ganz verkraftet.


Das ist vielleicht der einzige Bereich des Lebens, an dem Männer wie C. S. letztlich wirklich scheitern. Im Job hat er alles erreicht, was er erreichen wollte und wenn nicht, so konnte er sich neue Ziele setzen und darauf hin arbeiten.  Seinen Körper hatte er im Griff, trainierte ihn hart und verlangte ihm alles ab. Aber im familiären Bereich ist er gescheitert. Ausgerechnet.

Ich bin mir sicher, dass Männer wie C. S. diesen ganzen Aufwand nicht nur für sich selber betreiben, um sich etwas zu beweisen, sondern weil sie denken, dass sie es irgendwie auch für die Familie bzw. für ihre Kinder tun. Wäre es anders, hätten sie sich bewusst gegen Kinder entschieden. Und wenn die Familie sich dann abwendet, verlieren diese Männer die Bodenhaftung und plötzlich macht alles keinen Sinn mehr. Die Folge wäre eigentlich ein emotionaler Absturz. Aber viel häufiger flüchten sie sich dann noch mehr in die Arbeit und lassen es nicht mehr zu, einen Moment zur Ruhe zu kommen. Sie verdrängen. Sie haben eine Heidenangst davor, zur Ruhe zu kommen. Manche können ihr ganzes Leben lang kompensieren und verdrängen und werden trotzdem alt. Manche scheitern daran und halten den Druck nicht mehr aus.

Wieso hat er nicht einfach die Reissleine gezogen und einen Sabbatical eingelegt? Ab ins Kloster, in die Wildnis nach Kanada oder wohin auch immer. Er hätte es sich ja sicher leisten können. Wieso kam nur noch der Suizid als ultima ratio in Frage?

Und wieso konnte er die Kinder nicht öfters sehen? Hatte er keine Zeit für sie oder wollte es seine Frau so? Wieso nicht einmal pro Woche ein gemeinsames Abendessen? Muss es denn immer die Extremlösung sein? Anscheinend schon...

Seine Ex-Frau und die Kinder tun mir leid. Ich kenne die Umstände, die zur Trennung geführt haben nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass SIE mit den Kindern gegangen ist. Und ich kann mir auch gut vorstellen, weshalb. Sie wird sich grosse Vorwürfe machen. Einfach nur tragisch, diese Geschichte.

* * * *

Mein Mann ist auch so ein erfolgsorientierter Mensch und arbeitet seit Jahren 50, 60 Stunden pro Woche. Eher noch mehr. Aber die Familie, insbesondere die Kinder sind ihm sehr wichtig, auch wenn er  lange nur sehr wenig Zeit mit ihnen verbracht hat. Hauptsache sie waren da, wenn er nach Hause kommt. In ein leeres Haus heimzukehren ist für ihn der Horror. Er hat einmal gesagt, es würde ihn BRECHEN, wenn er die Kinder nur noch alle 14 Tage einmal am Wochenende sehen könnte. Dieser Satz ist mir damals sehr eingefahren. Das war noch bevor ich die Wohnung in Aussicht hatte und die Trennung konkret wurde. Ich habe es nie vergessen und es ist vielleicht der Hauptgrund, dass ich mich für das Modell der geteilten Obhut entschieden habe.

Die Betreuung der Kinder aufzuteilen ist immer noch die grosse Ausnahme in der Schweiz. Mein Anwalt - selbst Vater eines Jungen im Schulalter - hat mir gesagt, wir sollten dieses Betreuungsmodell unbedingt wählen, wenn es der persönliche Umgang erlaube und wir auch nach der Trennung noch "normal" miteinander kommunizieren könnten. Schon nur im Interesse der Kinder.

Er hat recht. Es ist ein Glück, dass wir nicht zerstritten sind und ich hoffe, es bleibt so. Ich könnte damit nicht umgehen, wenn er in eine Lebenskrise stürzen würde, weil ich ihm - aus welchen Gründen auch immer - die Kinder vorenthalten und sein Besuchsrecht auf das gesetzliche Minimum beschränken würde, wie das so viele Frauen nach der Trennung tun. Es sind immer die Kinder, die am meisten darunter leiden.

Ich möchte nicht in der Haut von Frau Schloter stecken. Das ist keine Schuldzuweisung. Es braucht immer zwei, damit eine Ehe scheitert. Aber die Kinder werden ihr wahrscheinlich unbewusst immer ein bisschen eine Mitschuld am Suizid ihres Vaters geben und sie wird sich auch immer fragen, ob es soweit gekommen wäre, wenn sie geblieben wäre oder ob sie es hätte merken müssen und es hätte verhindern können. Nun muss sie mit dem Unabänderlichen leben. Kein leichter Weg, den sie und die Kinder vor sich haben.

Möge C. S. seinen Frieden finden. Mehr dazu hier.
Und hier.

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