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Channel: Rosalies Midlife Crisis
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Grossbaustelle

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Das Leben fordert mir gerade alles ab. Jeder einzelne Bereich ist eine Baustelle. Das Universum ist anscheinend der Meinung, dass ich belastbar bin ohne Ende. Kann mich nicht erinnern, dass ich so etwas schon mal erlebt habe.

Meine Ehe ist futsch nach 19 Jahren Beziehung. Nicht dass ich meinen Entscheid bereuen würde. Ganz und gar nicht. Aber es geht natürlich nicht spurlos an mir vorbei, dass er anscheinend einfach so weiter macht wie bisher, als sei "nichts" gewesen. Er zieht seine Projekte ungerührt alleine durch und steckt seine ganze Energie in die Umgestaltung von Haus und Garten. Ich bin von Bord gegangen und das Schiff fährt einfach weiter, so als ob es mich nie gegeben hätte. Ist vielleicht etwas überspitzt formuliert, aber so fühlt es sich an.  Ok, besser so, als dass er mir Vorwürfe machen oder mir das Leben schwer machen würde.

Letztlich bestätigt es mir, dass ich mich richtig entschieden habe. Da ist keine Liebe und deshalb auch kein richtiger Schmerz. Von beiden Seiten. Groll vielleicht, Enttäuschung, ...  aber kein Herzschmerz. Mein Herzschmerz hat andere Gründe. Ich kann das Gefühl nicht genau definieren. Es ist gerade sehr präsent aber ich bin mir nicht sicher, ob es wirklich an eine bestimmte Person gebunden ist. Es ist eine Art Trauer. Und das Gefühl, allein zu sein. Und da ist wohl auch noch immer dieses bedürftige innere Kind, das sich ein Leben lang nach Liebe gesehnt hat.


Am Wochenende hat er zum ersten mal gemeinsame Freunde eingeladen. Ein Ehepaar mit Kindern. Die Kinder sind daher erst am Sonntag zu mir gekommen. Es sind primär seine Freunde. Aber ich bin in den letzten Jahren mehrmals mit ihr essen gegangen und wir haben über meine Ehe und Trennungsabsichten gesprochen. Es waren gute Gespräche. Sie selbst ist zum zweiten Mal verheiratet. Seit ich die Trennung durchgezogen habe, herrscht Funkstille. Vielleicht hat sie erwartet, dass ich mich melde. Ich hätte eigentlich erwartet, dass sie es tut. Aber egal. Was soll's...

Die Kinder haben mir gefehlt. Ich habe sie viereinhalb Tage lang nicht gesehen und das war (zu) lang. Für beide Seiten. Und ich habe Zweifel, ob das mit dem geteilten Obhutsrecht wirklich das Gelbe vom Ei ist. Und ich bin wütend, weil er zum zweiten Mal am Freitag die Kinderbetreuung an seine Mutter delegiert hat, obwohl ich ihm eingeschärft hatte, dass er sich an mich wenden muss, wenn er Freitags verhindert ist! Es ist ihr freier Tag und sie wird nicht jünger, steht schon länger am Rande eines Burnouts und sie kann nicht NEIN sagen. Er nutzt das gnadenlos aus. Wie war das nochmal? Er wollte am Freitag das Leben geniessen, im Garten werkeln und sich um die Kinder kümmern und deswegen sollte ich mein Arbeitspensum aufstocken! Von wegen... Noch nicht mal Homeoffice kriegt er hin und er delegiert seine Vaterpflichten mal wieder an seine Mama, obwohl ich an diesem Tag nicht im Büro bin! 

Ich habe mich auf die geteilte Obhut eingelassen, damit die Kinder mehr von ihrem Vater haben und weil er behauptet hat, dass er es nicht erträgt, sie so wenig zu sehen! Deshalb habe ich eingewilligt! Aus Gutmütigkeit. Das hat ja alles auch finanzielle Konsequenzen! Natürlich geniesse ich es, plötzlich drei freie Abende zu haben. Aber so war das nicht geplant! 

Aber es ist ja noch nichts unterschrieben und am Donnerstag treffe ich mich mit einem neuen Anwalt. Bin sehr gespannt, wie er meine Situation beurteilt.


Die zweite Baustelle ist meine Gesundheit. Zwar schlafe ich wieder besser, aber mein lädiertes Knie macht  mir das Leben schwer und die Schmerzen sind manchmal so stark, dass ich Medikamente nehmen muss, um durch den Tag zu kommen. Das Schleppen schwerer Lasten ist Gift. Trifft sich gut, wenn man gerade umzieht... Schonen war leider kaum möglich. Letzte Woche hat ein MRI den vom Facharzt bereits geäusserten Verdacht bestätigt. Sieht nicht gut aus. Das Gelenk lässt sich zwar noch retten, der Preis dafür ist allerdings eine aufwändige OP. Ein künstlicher Beinbruch sozusagen, um den Belastungswinkel auf das Gelenk zu verändern. Sechs bis acht Wochen Gehhilfen, wenn die Heilung komplikationslos verläuft... Mit allen Risiken, die eine solche OP mit sich bringt, die da wären, Thrombosegefahr, Infekte, verletzte Gefässe und sonstige Komplikationen. Und nach sechs Monaten muss die Naht wieder geöffnet werden, um die Platten zu entfernen, die den angesägten Schienbeinknochen in die richtige Position fixiert haben. Alles in allem kein Pappenstiel und diese "Baustelle" würde eigentlich alleine für sich schon ausreichen, um ein "normales" Leben aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Ich habe in den nächsten Wochen nicht die Energie, um so etwas durchzuziehen und ein solcher Eingriff stellt mich auch logistisch vor Herausforderungen. Ich lebe auf zwei Etagen und ich frage mich, ob ich trotz Beinschienen oder Gips werde Auto fahren können. Es wird Physiotherapie angezeigt sein und in nächster Zeit wäre es ungünstig, wenn ich am Arbeitsplatz ausfallen würde. Kommt Zeit, kommt Rat...

Das führt mich zur nächsten "Baustelle". Mein Job! Es steht eine neue Umstrukturierung an und ich weiss heute nicht, in welcher Organisationseinheit und mit welchen Leuten (Vorgesetzte und Mitarbeitende) ich ab Herbst arbeiten werde. Mein Bauchgefühl ist in Alarmbereitschaft. Was sich abzeichnet, gefällt mir nicht. Es geht auch das Gerücht um, dass die Einteilung der Lohnklassen neu beurteilt werden soll. In die falsche Richtung in meinem konkreten Fall. Trifft sich gut, dass ich jetzt zum ersten Mal seit 12 Jahren WIRKLICH auf meinen Job angewiesen bin...

Und als ob das alles nicht schon genug wäre, habe ich vergangenes Wochenende einen Anruf von meiner Tante gekriegt. Sie macht sich Sorgen um meine Mutter. Weil sie so unglaublich passiv ist und sich nie aktiv meldet. Bei niemandem. Ausser bei meiner Schwester. Ich habe schon lange resigniert und mich damit abgefunden, dass meine Mutter halt leider einfach "so" ist. Die Tante vermutet nun, dass sich ein anderes Problem dahinter verbirgt. Es handelt sich um ein weit verbreitetes Problem, das die Betroffenen lange sehr gut kaschieren und vor ihrem Umfeld verbergen können und als Angehörige will man es meistens lange nicht wahrhaben, obwohl es zugegebenermassen auch in unserem Fall gewisse Indizien sowie eine familiäre Disposition dafür gibt. Meine beiden Urgrossväter mütterlicherseits hatten dieses Problem auch schon... Ich kann es nicht ausschliessen und es würde mich auch nicht wirklich überraschen. Und es würde vieles erklären, was ich bis anhin als "in die Wiege gelegte" Charaktereigenschaften interpretiert habe. 

Und plötzlich sehe ich vieles mit anderen Augen. Meine ganze Kindheit. Und das Gefühl, das ich schon als kleines Schulmädchen hatte, kommt wieder hoch. Das Gefühl irgendwie (emotional) ganz alleine zu sein. Meine Mutter hat sich nie wirklich aufrichtig dafür interessiert, wie es mir geht. Sie war da, wenn sie unbedingt gebraucht wurde. Aus Pflichtgefühl, nie aus vollem Herzen. Sie war immer zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Nicht erst seit sie Witwe ist. Das war schon immer so. Das alles wird mir nun bewusst. Und dann kommt auch immer mal wieder diese ganze verdrängte Trauer um meinen Vater hoch und manchmal empfinde ich so etwas wie Wut und habe das Gefühl, dass er sich einfach so aus dem Staub gemacht hat, weil er den ganzen Schlamassel hat kommen sehen... Das ist natürlich völlig irrational, aber ich könnte es ihm noch nicht einmal verdenken. 

Die Liste meiner Baustellen liesse sich noch fortsetzen, aber das spare ich mir für ein anderes Post auf! 

Sieht ganz danach aus, als wäre meine Midlife Crisis noch nicht ganz ausgestanden...



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