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Channel: Rosalies Midlife Crisis
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Unterschiedliche Lebensphasen

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Zu schnell, zu intensiv, unterschiedliche Bedürfnisse und Lebensphasen und vor allem der falsche Zeitpunkt. Das alles hat dazu geführt, dass ich mich nach elf Wochen zurückgezogen habe. 

Es hatte sich angefühlt wie Liebe. Alles hat sich rasend schnell entwickelt und wir haben viele Stunden mit dem Schreiben von Nachrichten verbracht. Das Schreiben war es denn auch, das uns zusammengeführt hat und einen grossen Teil der Faszination ausmachte. Und es hat sich gleich alles so vertraut angefühlt. Im schriftlichen Austausch sowieso aber auch als wir uns im realen Leben getroffen haben. Und zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren war da plötzlich jemand, der von Liebe sprach. Das hat sich so gut angefühlt, nachdem "Liebe" in meinen letzten "Beziehungen" ja immer ein Tabuthema war. 

Es war eine glückliche Fügung des Schicksals, die es überhaupt möglich gemacht hatte, dass ich mir dreimal hintereinander innert weniger Wochen für einen oder zwei Tage Zeitfenster organisieren konnte, damit wir uns persönlich treffen konnten. Es war eine kurze Flucht aus meinem zurzeit sehr anspruchsvollen Alltag. Beide Kinder waren innerhalb von einem Monat je eine Woche abwesend und mein Mann hat sie begleitet. (Stichwort Skilager.) Zudem konnte ich mich aus den Skiferien zurückziehen unter dem Vorwand, ins Büro zu müssen. 

Schon wieder Lügen, schon wieder Heimlichkeiten. Genau das, was ich ja eigentlich nicht mehr gewollt habe. Das war ja einer der Gründe, die mich veranlasst haben, endlich die Trennung durchzuziehen. 

Wenn er zu mir in die Wohnung kam, musste ich meinen Freund durch die Terrassentüre  ins Haus bitten, weil ich mitten im Dorf wohne und die Enkelkinder der Dame vis-à-vis mit meinen Kindern in die selbe Schulklasse gehen. Diskretion ist meiner Einschätzung nach nicht eine ihrer Kernkompetenzen. Wenn sie zufällig aus dem Fenster geschaut und Madame Rosalie mit männlicher Begleitung das Haus hätte betreten sehen, womöglich noch zu nächtlicher Stunde, hätte sie diese Beobachtung kaum für sich behalten können. 

Ich habe realisiert, dass die Trennung von meinem Mann und der Umstand, dass ich jetzt alleine wohne, noch nicht bedeutet, dass ich nichts mehr verheimlichen muss. Weil der Zeitpunkt für einen neuen Mann in meinem Leben einfach noch nicht reif ist. Mein hochsensibler Sohn würde einen seelischen Knacks erleiden und er würde es mir vielleicht nie verzeihen, dass ich die Familie (in seiner Wahrnehmung: ihn!)  wegen einem anderen Mann verlassen habe. Was ja nicht stimmt - aber so würde es aussehen und so würde er es empfinden. Und er würde sich wohl noch mehr in seine virtuelle Welt zurückziehen. 

Wenn er tun und lassen dürfte, was er wollte, würde er jeden Tag mindestens zehn Stunden mit dem Headset vor seinem Notebook sitzen und in seine virtuelle Minecraft-Welt eintauchen und gleichzeitig per Skype mit seinen Freunden, deren Avatare auf dem selben Server unterwegs sind, kommunizieren. Sie sprechen miteinander ab, was sie auf dem Bildschirm gerade tun. Sie bauen neue Welten, kämpfen gegen Eindringlinge, verbünden sich mit andern und hin und wieder werden fremde Bauten und ganze Welten in die Luft gesprengt, deren Aufbau zahllose Stunden in Anspruch genommen hat. Was dann mitunter dazu führt, dass man SMS von andern Müttern kriegt (!) oder den Frust und die Tränen des Kindes ertragen muss. Seit Wochen und Monaten dreht sich bei ihm alles nur noch um Minecraft. Er kann und will in seiner Freizeit nichts anderes mehr tun und weiss nichts mehr mit sich anzufangen. Das macht mir grosse Sorgen. 

Gestern Abend bin ich gegen 22.30 Uhr eingeschlafen und als ich heute Nacht um 01.30 Uhr kurz aufgewacht bin, sass er noch immer vor dem Computer, obwohl ich um 22.00 Uhr gesagt habe, dass er jetzt Schluss machen muss. Das passiert jetzt schon zum zweiten Mal! Vor einer Woche bin ich auch schon kurz vor zwei Uhr aus dem Schlaf erwacht  und er sass noch immer vor dem Bildschirm und hat mit einem Freund gesprochen!!! Ich habe einen solchen Schreck gekriegt, dass mein Herz wieder "hängengeblieben" ist. Tachykardie! Puls um die 200. Glücklicherweise habe ich es mit Luft anhalten und Pressübungen geschafft, dass mein Herz wieder aus diesem ungesunden Takt geraten bzw.  gestolpert ist und der Puls auf ein erträgliches Niveau gefallen ist. Von 200 auf gefühlte 100. Irgendwann bin ich dann wieder eingeschlafen und am Morgen war alles wieder normal. Aber es zeigt mir, wie sehr mich die aktuelle emotionale Situation belastet. Es ist einfach ALLES zuviel.

Ich sollte die Wohnung einrichten. Ich sollte meine restlichen Sachen aus dem Haus holen. Schränke und Regale zusammenbauen. Einen neuen Anwalt suchen. Meinen Papierkram erledigen und eigentlich sollte ich drei Tage pro Woche ins Büro, um die zahlreichen Pendenzen aufzuarbeiten. Und ich sollte mich mehr um die Kinder kümmern. So vieles, was ich tun sollte.

Wie kann ich meinem Sohn erklären, dass es ihm schadet, wenn er mehr als fünf (zwei?) Stunden täglich vor dem Computer sitzt, wenn ich selber ständig auf ein Handydisplay oder auf einen Compterscreen schaue?! Zwanzig, dreissig (und mehr...) WhatsApp pro Tag wollen ja gelesen und vor allem beantwortet werden. Und dann ist da ja noch mein Blog, das auf einen neuen Eintrag wartet, unbeantwortete Kommentare und Mails. Ich bewege mich ja auch ständig in einer virtuellen Welt, auch wenn sie sich manchmal mit der echten Welt überschneidet, wobei sie das bei meinem Sohn ja auch tut. 

Und dann war da noch mein Freund in Berlin,  der doch auch gerne mehr von mir gehabt hätte, der sehnsüchtig auf einen neuen Countdown wartete, auf ein nächstes Treffen, der davon geträumt hat, zu mir in die Schweiz zu kommen und hier zu leben, ein Teil meines Alltags zu werden. Der sich gerade in einer so ganz anderen Lebensphase befand. Dessen Leben so viel ruhiger war als meins und der so viel mehr Zeit hatte als ich.  Es hat mich zunehmend überfordert. 

Es wäre verlockend gewesen, die Phase der Trauer einfach zu überspringen und nahtlos von einer Beziehung, die 19 Jahre gedauert hat in die nächste zu wechseln. Es hat nicht funktioniert.  Ich habe das Gefühl, mich selbst zu verlieren, weil ich mich ständig nach allen Richtungen hin verbiegen muss, um allen Ansprüchen gerecht zu werden. Denen meines Ehemannes, denen der Kinder, meiner Mutter, des Arbeitgebers und denen meines Freundes. Und wo bleibe ich? Ich muss zur Ruhe kommen, sonst brennt die Kerze aus. 

Es ist mir in den letzten zwei Wochen dreimal passiert, dass ich abends in Gedanken am Steuer sass und an meinem neuen Haus vorbeigefahren bin, weil ich die Einfahrt verpasst habe... Ich bin da noch nicht ganz angekommen. Und im Haus, das ich selbst mit aufgebaut und 15 Jahre lang bewohnt habe, in dessen Garten ich so viele Stunden verbracht habe und jede einzelne Pflanze, jeder Strauch, jeder Topf seine Geschichte hat, dort bin ich auch nicht mehr richtig daheim. Es ist ein seltsames Gefühl, abends nach dem Büro daran vorbeizufahren. Ich sehe  manchmal die Silhouetten meiner Familie hinter den beleuchteten Fenstern. Mein Mann vor dem TV oder in seinem Büro. Mein Sohn in seinem Zimmer, vermutlich vor dem Computer, und die Kleine wird wohl irgendwo im Haus herumwuseln.  Und ich fahre am Haus vorbei zu meiner Wohnung oder eben daran vorbei und frage mich, ob ich das Richtige getan habe. Ob ich nicht zu egoistisch gewesen bin. Ob ich einen Fehler gemacht habe, die Obhut aufzuteilen. Und manchmal erschrecke ich ab meinem eigenen Mut.

Dann parkiere ich vor diesem noch etwas fremden Haus und schaue als Erstes, ob der Mann, der die Dachwohnung gemietet hat, zu Hause ist. Er ist auch viel unterwegs und irgendwie finde ich es tröstlich, wenn oben unter dem Dach Licht brennt. Auch wenn ich mich noch daran gewöhnen muss, dass über mir jetzt Schritte zu hören sind und das Quietschen von Holzstühlen auf Parkett. Und manchmal sind seltsame Geräusche zu hören. Niest er oder was zum Teufel tut der Mann über mir? Er ist auch nachtaktiv wie ich und die Geräusche verstummen oft erst nach Mitternacht. 
Es stört mich nicht und es macht mir auch nichts aus, alleine im Haus zu sein - aber das Gefühl, dass ich doch bei meinen Kindern sein sollte, lässt sich auch nicht abstreifen.

Meine neue Beziehung hat mich zunehmend belastet. Das vierte Treffen hätte fast in einem Fiasko geendet, weil die Familie früher als erwartet aus dem Wochenende aus den Bergen zurückkam und es war eine nette Geste des Universums, dass mein Sohn mich von unterwegs auf dem Handy angerufen und "vorgewarnt" hat und manchmal sind 100 km ein Segen, so dass gerade noch genügend Zeit blieb, meinen Freund ins nahe Städtchen zu fahren, mit der Bitte, sich doch für ein paar Stunden die örtlichen Sehenswürdigkeiten anzusehen, bis ich wieder disponibel bin. Eine sehr belastende Situation, wie man sich unschwer vorstellen kann. Kaum war ich zurück, kam die Familie mit der vollbeladenen Familienkutsche aus der Ferienwohnung und die Kleine wollte natürlich bei mir bleiben... Ich musste sie unter einem fadenscheinigen Argument bitten, mit Papa ins Haus zurückzufahren. Am Sonntag wollten sie mir am Vormittag Croissants bringen und ein Möbel... und wieder hatte das Universum ein Einsehen und liess meinen Mann vorher ein WhatsApp schreiben...  Und ich schaute entgeistert aufs Handydisplay und dann zu meinem Freund und musste mir ganz schnell eine gute Ausrede einfallen lassen... Stress pur. 

Beim letzten Treffen haben wir dann ein Hotelzimmer gebucht...

Nächstes Wochenende wäre ein weiteres  Treffen geplant gewesen. Die Flüge schon seit Februar gebucht. Und im Juni gemeinsame Ferien. Zehn Tage! Ich hatte mich in der ersten Euphorie dazu hinreissen lassen, weil er es sich so sehr gewünscht hat. Später ist mir bewusst geworden, dass ich noch gar nie zehn Tage ohne meine Kinder gewesen bin. Und was würde meine Familie sagen, wenn ich so kurz nach der Trennung einfach mal für zehn Tage wegfahre?! Und das in der Zeit, wo die meisten Klausuren stattfinden, kurz vor Ende des Schuljahrs. Und wieder hätte ich lügen müssen. Es ist mir alles zu viel geworden. Ich musste die Notbremse ziehen. 

Ich muss zur Ruhe kommen. Ich will diese Heimlichkeiten nicht mehr und ich habe realisiert, dass ich überhaupt keine freien Ressourcen habe, um eine neue Beziehung einzugehen. Für meinen Freund ist das alles sehr schwer, weil er sich in einer ganz anderen Lebensphase befindet. Er ist bereit für eine neue Beziehung. Ich musste erkennen, dass ich es nicht bin. Ich brauche jetzt ganz viel Zeit für mich und für meinen Neuanfang. Er hätte mich so gerne dabei unterstützt. Aber das geht leider nicht. Manchmal kommt man im Leben an einen Punkt, an dem man sich ganz auf sich selbst konzentrieren muss. Es ist ein Entwicklungsprozess. Es ist irgendwie auch Trauerarbeit. Das kann einem niemand abnehmen. Da muss man ganz alleine durch. 



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